‘Urlaub darf nicht zum Luxus werden’: Thomas Bösl warnt vor Preisentwicklung - Wissen, was im Tourismus los ist!



Türkei
‘Urlaub darf nicht zum Luxus werden’: Thomas Bösl warnt vor Preisentwicklung
Ein Trend ist Grund für leichte Sorgen: Die wirtschaftliche Situation in Deutschland, hervorgerufen durch Inflation, höhere steuerliche Belastung und steigende Energiepreise, hat im Verein mit Preissteigerungen in den Zielgebieten dazu geführt, dass die Zahl Reisenden, die eine Pauschalreise buchen, 2023 um ca. 10 Prozent zurückgegangen ist.
‘Urlaub darf nicht zum Luxus werden’: Thomas Bösl warnt vor Preisentwicklung

Branchenexperten warnen vor einer weiteren Reduktion durch weiter steigende Preise.

Tourexpi sprach mit Thomas Bösl, Director Strategy & International Business Development RT / Raiffeisen Touristik Group GmbH, über Möglichkeiten, wie die Zielgebiete rund um das Mittelmeer auf die veränderte wirtschaftliche Situation der Quell-Länder reagieren und den Rückgang der Kundenzahlen verhindern können.

Tourexpi: Herr Bösl, Sie verfolgen die Preisentwicklung in den Mittelmeer-Destinationen und die wirtschaftlichen Belastungen der Kunden in Mitteleuropa mit leichter Sorge. Wie sehen Sie die Lage in den Zielgebieten und den Quell-Ländern?

Thomas Bösl: In der Tat haben wir bereits im vergangenen Jahr sehen müssen, dass ca. 10 Prozent der Kunden klassischer Paketreisen rund um das Mittelmeer weggebrochen sind. Das wurde unlängst auch von anderen Branchenverbänden bestätigt. Ich sehe diese Entwicklung mit Sorge, denn Urlaub wird für gewisse Bevölkerungsgruppen allmählich zum Luxusgut. Gerade bei Familien mit schulpflichtigen Kindern ist der Preisanstieg in den letzten Jahren enorm. Das hat sicher seine berechtigten Gründe, im Transport, aber vor allem in den Zielgebieten, sind die Kosten gestiegen. Der weltweite Anstieg von Energie- und Lebensmittelkosten schlägt sich auch auf die Kosten in den beliebtesten Urlaubsländern nieder. Finden wir keine Gegenstrategie, dann werden wir Teile unserer Kunden an andere Urlaubsformen verlieren und weniger Flug-Pauschalreisen verkaufen. Gerade die Türkei, die traditionell für viele Familien das ideale Reiseziel ist, wird von dieser Entwicklung betroffen sein.

Tourexpi: Welche Möglichkeiten sehen Sie, wie die Hoteliers in der Türkei auf die drohende Gefahr reagieren können, dass sich ein Teil der Kunden den Sommerurlaub nicht mehr leisten kann?

Thomas Bösl: Kaum eine andere Destination steht so für Flexibilität beim Familienurlaub wie die Türkei. Ich denke, dass neben den bewährten und beliebten Ferienanlagen, die ein umfangreiches Unterhaltungs- und Bewirtungskonzept bieten, auch andere Formen des Familienurlaubs angeboten werden sollten. Ultra-All-Inclusive wird beliebt bleiben, aber wollen wir gemeinsam sämtliche Familien ansprechen, so werden wir kostengünstigere Konzepte zur Verfügung stellen müssen.

Tourexpi: Wie kann das konkret für die Türkei aussehen?

Thomas Bösl: Das Urlaubsland Türkei hat sich in den letzten 30 Jahren stark verändert. Seit den 80iger Jahren steht die Türkei vor allem für ein familienfreundliches All-Inclusive-Konzept. Konzepte, die es bis dahin fast nur in der Karibik gab, wurden plötzlich auch in erreichbarer und finanzierbarer Form für die großen europäischen Quellmärkte angeboten. Das war von Beginn an eine Erfolgsgeschichte. Die Qualität der Hotels und Resorts hat sich ständig verbessert, und die Türkei hat weltweite Maßstäbe gesetzt.  Allerdings hat sich am Anfang der Entwicklung die Infrastruktur der Urlaubsorte nicht in der gleichen Geschwindigkeit und Qualität entwickelt wie die der Hotels und Resorts. Weder Restaurants, Bars, Cafés noch Supermärkte waren flächendeckend in einer Qualität vorhanden, die europäische Kunden erwarten. Deshalb hat sich das Image einer Resort-Destination in vielen Urlauberköpfen manifestiert. Dabei wird oft vergessen, dass sich die gastronomische Infrastruktur in den wichtigen türkischen Urlaubsstädten seither stark verbessert hat und mittlerweile den Vergleich mit anderen Reisezielen mehr als standhält. Trotzdem werden im Vergleich zu anderen Ländern wenige Bed and Breakfast-Arrangements angeboten. Auch die klassische „Unterkunft only“-Variante wird weniger stark verkauft als z.B. in Griechenland oder Spanien. Ich bin überzeugt, dass die Türkei viele zusätzliche Kunden ansprechen kann, die etwas stärker auf ihr Urlaubsbudget achten müssen. Ich empfehle daher, auch diese Produktgruppe stärker zu offerieren. Sei es durch zusätzliche Konzepte in Hotels, sei es auch durch neue Unterbringungsmöglichkeiten. Damit spricht man nicht nur bestehende Türkei-Fans an, sondern auch ein junges Publikum, das ohnehin mehr Individualität im Urlaub wünscht.   

Tourexpi: Suchen Sie in dieser Hinsicht auch direkten Kontakt zu den Touristikern in der Türkei?

Thomas Bösl: Ich bin in der privilegierten Lage, viele türkische Touristiker zu kennen und das Urlaubsland seit über 30 Jahren begleiten zu dürfen. Die Türkei braucht keine Ratschläge von Außen, aber Partnerschaft verstehe ich auch als Möglichkeit, Trends und Veränderung frühzeitig zu erkennen und gemeinsam Konzepte zu entwickeln. Hotels und Ressorts weiter auszubauen, Qualität stetig zu verbessern und durch internationale Märkte mehr Unabhängigkeit zu bekommen – dieser Trend wird sich in der Türkei fortsetzen und das ist aus meiner Sicht auch gut so. Parallel dazu hoffe ich aber, dass die touristische Infrastruktur in den wichtigsten Urlaubsregionen stärker beworben wird. Ich denke, dass viele potenzielle Kunden in Europa kaum eine Vorstellung haben, wie vielfältig das Angebot von Restaurants, Cafés, Märkten usw. in der Türkei geworden ist. Und dazu kommt noch immer ein im Verhältnis zu Europa hervorragendes Preis-/Leistungsverhältnis. Das könnte uns gemeinsam helfen, auch Zielgruppen anzusprechen, die über weniger Budget verfügen. Ich höre aus der Türkei, wo zur Zeit Kommunalwahlen anstehen, dass sich viele Stimmen aus Politik und der Hotellerie dafür aussprechen, zusätzlich zu All Inclusive auch andere Urlaubsmodelle anzubieten.

Bildnachweis: © rtk


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